Warum Elektroflugzeuge einfach nicht abheben wollen
Leistungsfähige Elektromotoren und langlebige Akkus existieren längst, doch noch gibt es ein zentrales Problem der E-Luftfahrt: die Reichweite.
Klassische Turbine: Warum nicht mit Strom? (Bild: Juice Flair/Shutterstock.com)
Drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen werden durch den Luftverkehr verursacht. Entsprechend sinnvoll wäre es, Flugzeuge endlich klimaneutral zu machen, etwa durch neue Antriebstechnik. Das Problem: Mit den aktuell verfügbaren E-Turbinen samt Akkus ergibt sich nur geringe Reichweite, die, so eine aktuelle Analyse von ICCT (The International Council of Clean Transportation), bei einer Fluggästezahl von einem Dutzend bei nur rund 50 sicheren Kilometern liegt.
Der begrenzende Faktor ist die Stromversorgung, insbesondere die Menge an Energie, die auf kleinem Raum gespeichert werden kann. Schon mit Kerosin achten die Fluggesellschaften aufs Gewicht – sei es nun bei Einschränkungen fürs Gepäck oder den extraschmalen und extraleichten Sitzen. Das wäre bei E-Flugzeugen ebenfalls Pflicht. Mehr noch: Gebräuchliche Batterien haben nicht die nötige Energiedichte, um auch nur die leichtesten Flugzeuge über längere Strecken mit ausreichenden Passagierzahlen anzutreiben.
Batteriechemie verbessert sich
In den letzten 30 Jahren hat eine verbesserte Batteriechemie immer mehr Leistung auf kleinerem Raum untergebracht. Weitere Verbesserungen könnten dazu beitragen, dass Elektroflugzeuge zu einer praktikableren Option für den Luftverkehr werden. Aber so weit sind sie heute noch nicht – und letztlich hängt die Zukunft von Elektroflugzeugen von den Fortschritten in der Batterietechnologie ab.
Die Aussichten für baldigen Elektroflug sind in vielerlei Hinsicht verlockend. Die Luftfahrt trägt mit einem wachsenden Anteil zu den CO₂-Emissionen bei, die den Klimawandel verursachen. Akkubetriebene Flugzeuge könnten helfen, die Dekarbonisierung in diesem wachsenden Sektor zu beschleunigen.
Die Emissionsreduzierung könnte gegebenenfalls erheblich sein. Ein akkubetriebenes Flugzeug, das mit erneuerbarer Energie geladen wird, könnte fast 90 Prozent weniger Emissionen verursachen als die heutigen Flugzeuge, die mit Jettreibstoff betrieben werden, sagt Jayant Mukhopadhaya, ein Verkehrsanalyst beim ICCT in Bezug auf die neue Analyse. Die verbleibenden Emissionen stammen größtenteils aus der Herstellung der Akkumulatoren, die bei den meisten Flugzeugen wahrscheinlich jedes Jahr ausgetauscht werden müssten.
Effizient und effizienter
Batterien sind eine effiziente Art der Stromnutzung. In einem Elektroflugzeug würden etwa 70 Prozent der Energie, die zum Aufladen der Akkus verwendet wird, tatsächlich das Luftgefährt auch antreiben. Es gibt zwar einige Verluste in Batterie und E-Motor, aber der Gesamtwirkungsgrad ist enorm hoch im Vergleich zu anderen Optionen, die zur Dekarbonisierung des Flugverkehrs in Betracht gezogen werden könnten. Mit Wasserstoff und synthetischem Kerosin beispielsweise könnte der Wirkungsgrad bei maximal 20 bis 30 Prozent liegen.
In Anbetracht dieses Potenzials hoffen einige Start-ups, noch vor Ende des Jahrzehnts kleine Elektroflugzeuge für relativ kurze Strecken umsetzen zu können. Heart Aerospace, ein in Schweden ansässiges Start-up, gehört zu den Unternehmen, die versuchen, das Potenzial von Batterien für die Vermarktung von Elektroflugzeugen zu nutzen. Ihre 19-sitzigen Flugzeuge werden 2024 mit Flugtests beginnen und könnten laut CEO Anders Forslund bis 2026 kommerziell fliegen.
"Unser Ziel ist es, die erschwinglichste, schnellste und umweltfreundlichste Art der Fortbewegung auf der Welt zu schaffen", sagt Forslund. Das Unternehmen plant, in Nischenmärkten zu starten, wie zum Beispiel beim "Hopping" über die Fjorde in Skandinavien. Diese Strecken lassen sich nur schwer durch Landtransporte ersetzen, Schiffe brauchen zu lange – und in einigen Ländern wie Norwegen könnten sie vom Staat subventioniert werden.
Elektrischer Regionalflugverkehr
Laut Forslund sind diese Reisen jedoch erst der Anfang – und das Ziel ist es, den Regionalflugverkehr weltweit abzudecken. Selbst mit der derzeitigen Batterietechnik, so das Unternehmen, könnten seine Flugzeuge etwa 400 Kilometer weit fliegen. Das entspricht der Entfernung zwischen New York City und Boston oder zwischen Paris und London. Die Anforderungen an die Batterien sind selbst für diese kurzen Strecken allerdings beträchtlich. Die 19-sitzigen Flugzeuge von Heart werden etwa 3,5 Tonnen Batterien an Bord haben, was einer Gesamtkapazität von acht bis zehn Elektrofahrzeugen entspricht.
Alles hängt von der Batterietechnik ab
Wright Electric, ein US-amerikanisches Start-up, strebt noch größere Flugzeuge an. Das Unternehmen plant, 100-sitzige Flugzeuge mit Akkus für Kurzstrecken nachzurüsten – und rechnet damit, ab 2026 zu fliegen. Einige in der Branche sind skeptisch, dass solche Flugzeuge ohne größere Verbesserungen bei den Batterien erfolgreich sein könnten. "Die Batterietechnik ist einfach noch nicht ausgereift", sagt Mukhopadhaya.
In dem ICCT-Bericht stellten Mukhopadhaya und seine Kollegen fest, dass die Flugzeit von Elektroflugzeugen mit der vorhandenen Energiespeichertechnologie stark begrenzt wäre: "Wir waren überrascht, wie schlecht die Reichweite war", sagt er.
Zu schwer – vom Preis ganz abgesehen
Auf der Grundlage von Schätzungen für die derzeitige Akkuenergiedichte und die Gewichtsbeschränkungen für Flugzeuge schätzten die Analysten, dass ein batteriebetriebenes Flugzeug mit 19 Sitzen eine maximale Reichweite von etwa 260 km haben würde, was deutlich unter den von Heart Aerospace angegebenen 400 km liegt.
Forslund argumentiert, dass Schätzungen von außenstehenden Beobachtern kein wahrheitsgetreues Bild der Technik des Unternehmens vermitteln, da sie nicht in die Details seiner Batteriepacks und des Flugzeugdesigns eingeweiht sind. Das Unternehmen plant, ein eigenes Flugzeug zu entwickeln, anstatt ein bestehendes Modell für den Batteriebetrieb umzurüsten.
Der Reservebedarf könnte die tatsächliche Reichweite von Elektroflugzeugen aber stark einschränken. Ein Flugzeug braucht zusätzliche Kapazität, um den Flughafen 30 Minuten lang zu umkreisen, falls es nicht sofort landen kann – und es muss auch in der Lage sein, im Notfall einen 100 km entfernten Alternativflughafen zu erreichen.
Sicherheit als Killer
Wenn man all dies berücksichtigt, sinkt die nutzbare Reichweite eines 19-sitzigen Flugzeugs von etwa 260 km auf schlappe 50. Bei größeren Flugzeugen wie den 100-Sitzer-Maschinen, die Wright baut, sind es weniger als 10 km. Wasserflugzeuge sind da klar im Vorteil, weil sie viel mehr Landemöglichkeiten vorfinden. Daher überrascht es nicht, dass der Erstflug eines kommerziellen elektrischen Flugzeugs Ende 2019 von der kanadischen Harbour Air durchgeführt wurde. Harbour Air ist Betreiber der größten Flotte von Wasserflugzeugen in Nordamerika und verbindet unter anderem Vancouver mit Victoria, der Hauptstadt der Provinz Britisch-Kolumbien.
"Diese Reserveanforderungen sind letztlich der Killer", sagt Andreas Schafer, Direktor des Air Transportation Systems Lab am University College London. Letztlich, so Schafer, hängt die Zukunft der Elektroflugzeuge von der Entwicklung der Batterien ab.
Laut der ICCT-Analyse müsste sich die Energiedichte der Batterien im Wesentlichen verdoppeln, um die von den Start-ups angestrebten kurzen Strecken zu ermöglichen. Diese Verbesserung dürfte an die technischen Grenzen der Lithium-Ionen-Batterien heranreichen, die heute für Elektrofahrzeuge und diverse Elektronik verwendet werden. Selbst bei derartigen Fortschritten könnten Elektroflugzeuge nur so wenige Flugzeuge ersetzen, dass bis 2050 höchstens ein Prozent der Emissionen der Luftfahrtindustrie eingespart werden.
Vervierfachung der Energiedichte
Damit Elektroflugzeuge eine bedeutendere Rolle bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs spielen können, müsste sich die Energiedichte vervierfachen, so Schafer. Dies könnte neue Batterietypen erfordern, um zur Marktreife zu gelangen.
In der Zwischenzeit weisz andere Technik wie alternative Kraftstoffe und grüner Wasserstoff eine viel höhere Energiedichte auf, sodass sie eher für längere Flüge infrage kommen – vorausgesetzt, sie können in großem Maßstab wirtschaftlich produziert werden.
Elektroflugzeuge könnten schon bald kommerziell in die Luft gehen, vielleicht sogar noch vor dem Ende des Jahrzehnts. Aber sie werden wahrscheinlich nicht sehr viele von uns sehr weit bringen können. Solange kein Fjord ohne Brücke oder Tunnel im Weg ist, sollten wir emissionsarm vielleicht lieber mit dem Fahrrad oder dem Zug fahren.